La Oficina (Das Büro)

Im Oktober 1994 fand in Buenos Aires die 13. internationale Kunstkritiker-Tagung
"XIII Jornadas Internacionales de la Crítica y Exhibiciones" statt, anläßlich derer ich als einziger deutscher Künstler, neben Künstlerkollegen aus Süd- und Nordamerika, eingeladen wurde, einen mir zugewiesenen Raum im staatlichen Kulturzentrum "Centro Cultural Recoleta" für 16 Tage zu gestalten.

Meine Idee war, den Raum in ein Büro, in ein Redaktionsbüro, in eine Kultur- und Kommunikations-Zentrale, in "La Oficina" umzuwandeln.
Dazu brauchte ich, um mich und meinen Raum von den Räumen der anderen KünstlerInnen
abzugrenzen, zwei neue,3 m-lange und 2,20 m-hohe Wände.
Sie entstanden aus Hunderten von übereinander gestapelten und geschichteten alten Büchern, Zeitschriften und Telefonbüchern. Die gemauerten Wände waren über und über beklebt mit Zeitungs- und Zeitschriften-Ausschnitten und -Ausrissen, gefüllt mit Worten und Fotoabbildungen. Der Fußboden war 20 cm hoch belegt mit ebensolchen Ausschnitten und Ausrissen aus Zeitungen und Zeitschriften, aus Deutschland und Argentinien.

In diesem neugeschaffenen und neugestalteten Raum befanden sich, -auf und neben den
Bergen von bedruckten Papieren-, zwei Metallschränke, drei Arbeitstische, zwei Kleiderständer mehrere Stühle, ein Fotokopiergerät, ein Telefon, ein Computer mit Bildschirm, mehrere, teilweise überfüllte Papierkörbe, ein Kühlschrank, eine Schreibmaschine und eine
Kaffeemaschine, sowie Büromaterial und Papierverarbeitungs- und Papierbearbeitungsgeräte aller Art.

Jeden Tag für zehn Stunden war ich hier, als Zeitungs-Verleger und Herausgeber, in diesem
meinem Büro, tätig und produzierte, jeden Tag neu, eine Zeitung oder Zeitschrift, zumindesten aber ein Recyclingprodukt in einer Auflage zwischen täglich 45 und 70 Exemplaren. Dabei durchwanderten täglich Hunderte von Besuchern der Gruppenausstellung meine Installation "La Oficina", auch um mit mir zu kommunizieren und vielleicht einen Kaffee mit mir zu trinken.

In diesen zwei Wochen ließ ich mir jeden Morgen, von zwei Freunden aus Deutschland,
-Sibylle Kretschmer, Berlin, Künstlerin und Dieter Schwerdtle, Kassel, Fotograf-, jeweils einen DIN A4-großen Ausschnitt aus den Titelseiten der neuesten "Berliner Morgenpost" und der neuesten Kasseler "HNA" zufaxen.

Auf Grund der fünfstündigen Zeitverschiebung zwischen Deutschland und Argentinien war es möglich, -immer noch morgens-, in Buenos Aires, diese zwei DIN A4-Seiten zu vervielfältigen und darüber zwei DIN A4-große Ausschnitte der argentinschen Tageszeitungen "La Nacion" und "Clarin" zu kopieren.

Es entstand ein neues, tatsächlich internationales Gesicht einer Tageszeitung, einer Zeitung aus Europa und Südamerika. Die Zeitung bekam den Namen "HOY" (HEUTE).

Neben dem neuen Gesicht von "HOY" war aber auch der Inhalt eines jeden Exemplares von "HOY" unterschiedlich bedeutungsvoll. Jedes Exemplar von ”HOY” hatte Unikat-Charakter.
Es bestand aus den unterschiedlichsten Materialien, wie von mir überarbeitete Bücher und Buchinhalte, Plakate, Fotos, Fotokopien, Stempelbilder, Wertmarken, Puppenkleider,
Saugglocken, Mini-Wörterbücher, Kaffeefilter und Telefonbücher.

Jeden Abend, zwei Stunden vor Schluß der Ausstellung, war es den Gästen und Besuchern von ”La Oficina” möglich, für einen symbolischen Preis von 1 US-Dollar, die am gleichen Tage entstandenen Exemplare der neusten Ausgabe von ”HOY” zu erwerben.
Die große Nachfrage nach ”HOY” hatte aber zur Folge, daß jede neuste Ausgabe, jeden Abend, nach wenigen Minuten wieder vergriffen war.
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